Es gibt wenige Persönlichkeiten, die die SPD in Rostock und darüber hinaus seit der Friedlichen Revolution so nachhaltig geprägt haben. Am 5. August ist unsere Genossin Erika Drecoll verstorben. Wer das Glück hatte, Erika kennenzulernen, wird sie immer als aufrechte Kämpferin für die Sozialdemokratie, warmherzige und humorvolle Frau in Erinnerung behalten. Sie war eine große Persönlichkeit, wie man ihr selten begegnet.

Erika wurde 1937 geboren und entstammte einer sozialdemokratischen Rostocker Familie. Ihr Vater war ein Bekannter von Willy Jesse, für dessen Andenken sie bis ins hohe Alter gearbeitet hat. Die studierte Betriebswirtin und spätere Leiterin einer Buchhaltung war über Jahrzehnte mit ihrem Mann Peter eines der Gesichter der SPD in der Hansestadt – beinahe schon selbstverständlich sind auch eine ihrer Töchter und eine Enkeltochter Sozialdemokratinnen geworden. Sie gehörte 1990 zur Generation der Wiedergründer:innen der SPD in Rostock und baute den Ortsverein KTV als Vorsitzende auf, prägte ihn und viele seiner Mitglieder mit ihrem Engagement und ihrer Herzlichkeit nachhaltig.

Besonders herausragend ist ihr Einsatz für ältere Menschen. Die AG60+ hat sie in der Hansestadt und im Land mit aufgebaut. Vor 26 Jahren wurde sie erstmalig deren Landesvorsitzende. Im August 2007 wurde sie die erste weibliche Vorsitzende des Bundesvorstands der AG60+ und machte sich auf dieser Ebene bis 2011 für die Belange der älteren Menschen in unserer Gesellschaft stark. Für ihr unermüdliches Engagement wurde sie mit dem Ehrenvorsitz sowohl des Landes-, als auch des Bundesverbands der Arbeitsgemeinschaft geehrt. Sie wirkte darüber hinaus als SPD-Schatzmeisterin in Rostock und langjähriges Mitglied im Kuratorium des Wilhelm-Dröscher-Preises.

Erika war im Jahr 2000 Gründungsmitglied des Seniorenbeirats der Hansestadt Rostock und dessen Vorsitzende. Sie engagierte sich zudem in der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und hat im Landesseniorenbeirat mitgewirkt, von 2009 bis 2013 als dessen Vorsitzende. Ihr größter Erfolg war die Verabschiedung eines ersten Seniorenmitwirkungsgesetzes in ganz Deutschland. Ebenso war Erika in der Enquete-Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ des Landtags aktiv und mit dem Altenparlament verbunden, deren Präsidentin sie in den Jahren 2003 und 2011 war. Für ihre unermüdliche, jahrzehntelange ehrenamtliche Arbeit für das selbstständige und selbstbestimmte Leben älterer Menschen erhielt sie 2017 den Verdienstorden des Landes.

Ihr Engagement galt immer der Sache und nie sich selbst. Erika blieb stets geerdet, stand uns gern mit Rat und all ihren Kräften bis zuletzt zur Seite. Ihre Stimme hatte Gewicht und mit ihrem entwaffnenden Humor konnte sie manche hitzige Diskussion entschärfen. Auf ihre Initiative hin übernahm der Ortsverein KTV die Patenschaft für die Willy-Jesse-Linde in der Waldemarstraße, um diesem fast vergessenen Sozialdemokraten des Widerstands gegen Faschismus und Stalinismus ein bleibendes Andenken zu bewahren. Auch wenn ihre Stimme nach dem Tod ihres Mannes Peters etwas leiser geworden war, hat sie doch mit wachem Geist bis zuletzt unsere Debatten bereichert. Erika war die große alte Dame der Rostocker SPD und wird für viele ein unerreichtes Vorbild bleiben.

Ein Kämpferinnenherz hat aufgehört zu schlagen. Unsere Gedanken sind bei Ihrer Familie, Ihren Freund:innen und engen Weggefährt:innen. Erika wird neben ihrem Mann Peter die letzte Ruhe finden.

Wir alle werden sie sehr vermissen.

Demokratie braucht Demokrat*innen. Demokratie braucht Dich. Für Dich sind wir viele. Mit Dir sind wir mehr.